Planer:innen müssen verschiedene Bevölkerungs- und Interessengruppen aktiv in Entscheidungsprozesse einbeziehen, damit diese ihr jeweiliges Wissen einbringen können. Durch das Zusammenbringen der unterschiedlichen Erfahrungen, Fachkenntnisse und Ansichten, können gemeinsam komplexe Probleme gelöst werden. Die Integration vielfältiger Perspektiven erhöht die Qualität der Planung und beugt Konflikten, Diskriminierung und Ineffizienz vor.
Warum Diversität für erfolgreiche Planung notwendig ist!
Alle Menschen – so auch Planer:innen, Entscheidungsträger:innen und Expert:innen – haben aufgrund der gesammelten Erfahrungen, Hintergründe und Bedürfnisse eine eigene Perspektive, die oft bewusst, meist aber unbewusst in Planung und Entwicklung einfließt. Das stellt jedoch auch eine Herausforderung für die Planung dar. Denn die unterschiedlichen Bedürfnisse der von Planungen betroffener Personen können nur dann in Planungs- und Entscheidungsprozesse einfließen, wenn sie auch sichtbar sind und erfasst werden. Das gilt es auch bei der Transformation öffentlicher Räume zu berücksichtigen.
Durch die Dominanz einer funktionalen, expertenbasierten Partizipationspraxis und damit verbundenen Machtstrukturen werden systematisch marginalisierte Gruppen, aber beispielsweise auch Frauen von partizipativen Prozessen ausgeschlossen.
(Musch 2020:154f.)
Während die Einbeziehung vielfältiger Sichtweisen Potential für bedürfnisorientierte und innovative Lösungen bietet, kann im Umkehrschluss das Übersehen bzw. Missachten von Bedürfnissen bestimmter Personengruppen bei der Planung und Umsetzung zu Problemen führen.
- Ineffizienz und Ineffektivität: Wichtige Perspektiven und Bedürfnisse von nicht (ausreichend) vertretenen Bevölkerungsgruppen werden übersehen. Die entwickelten Lösungen sind dadurch oft unzureichend und ineffektiv. Durch die übersehenen Anforderungen bestimmter Personen(-gruppen), können die Planungen diese nicht adressieren und vorhandene Bedürfnisse nicht (ausreichend) befriedigen.
- Diskriminierung: Planungen, die nur auf den Bedürfnissen und Erfahrungen einer Gruppe basieren und die Anforderungen anderer (meist ohnehin benachteiligter) Gruppen ignorieren, führen bestehende Ungleichheitsmuster fort oder verstärken diese möglicherweise (siehe Blogbeitrag Soziale Selektivität in Beteiligungsprozessen: Die gleichen Gesichter und ihre Ursachen).
- Widerstand und Konflikte: Menschen, deren Bedürfnisse und Perspektiven nicht berücksichtigt werden, können Widerstand gegen geplante Maßnahmen zeigen und Konflikte verursachen. Dies kann die Umsetzung von Plänen erschweren oder verhindern.
Warum beteiligen sich bestimmte Personen und andere nicht ?
Bei Entscheidungsprozessen sind immer auch Machtstrukturen zu beachten. Sie bestimmen, wer und in welcher Form jemand auf Entscheidungen Einfluss nehmen kann, oder eben auch nicht. Sie ergeben sich einerseits durch verschiedene Positionen und Rollenzuschreibungen und andererseits durch die unterschiedliche Ausstattung von Personen mit Ressourcen und Möglichkeiten sich zu beteiligen bzw. eigene Interessen zu platzieren.
Es gibt unterschiedliche Gründe, weshalb sich Personen nicht beteiligen (Rohr et. al., 2017: 41f.):
- Sie können es nicht: Es fehlen die entsprechenden (sozialen und ökonomischen) Ressourcen, oder die eigenen Wertvorstellungen stimmen nicht mit jenen der Mehrheit (im Regelfall sozial besser gestellte Personen) überein.
- Sie wollen es nicht: Individuelle Gründe und Einschätzungen, wie etwa subjektive Machtlosigkeit, fehlender Wille oder die eigene Einschätzung zu unqualifiziert für die Mitsprache zu sein, verhindern eine Beteiligung.
- Limitierende Rahmenbedingungen: Die Gestaltung des Prozesses und der Formate ermöglichen für bestimmte Gruppen keine oder eine erschwerte Teilnahme (siehe Blogbeitrag Soziale Selektivität in Beteiligungsprozessen: Die gleichen Gesichter und ihre Ursachen).
Die Einbeziehung unterschiedlicher Sichtweisen und Anforderungen ist jedoch wichtig, um Pläne ausgewogen zu gestalten und die Bedürfnisse einer breiten Zielgruppe anzusprechen. So können blinde Flecken vermieden und bereits frühzeitig unerwartete Folgen minimiert werden.
Vielfältige Planung sicherstellen
Um die genannten Probleme zu vermeiden, ist es wichtig, Beteiligungsprozesse so zu gestalten, dass verschiedene Bevölkerungs- und Interessengruppen aktiv in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. Den Personen, die Beteiligungsprozesse planen und durchführen kommt dabei eine essenzielle Rolle zu, denn „sie bestimmen, wer an Prozessen beteiligt wird und wer nicht, wessen Stimme gehört wird und wessen nicht“ (Musch 2020:154).
Folgende Aspekte können zu einer gerechteren und inklusiveren Gestaltung von Planung beitragen:
- Diversität im Entscheidungsprozess: Es ist sicherzustellen, dass Planungsteams und Entscheidungsgremien divers gestaltet sind und verschiedene Perspektiven und Erfahrungen repräsentieren.
- Sensibilisierung der Durchführenden: Eine entsprechende Schulung der Planenden und Entscheidungsträger:innen in Bezug auf Diversität, Inklusion und Gleichberechtigung, kann Vorurteile und Diskriminierung vermeiden.
- Bewusstsein über Machtverhältnisse: Eine Reflexion bestehender Machtstrukturen und Entscheidungsmöglichkeiten sowie damit verbundener Ungleichheiten ermöglicht die Identifikation von Handlungsspielräumen und Anpassung dieser.
- Tatsächliche Beteiligungsmöglichkeiten: Es ist wichtig, Rahmenbedingungen und Formate so zu gestalten, dass eine Möglichkeit zur Beteiligung für die jeweilige Zielgruppe auch tatsächlich gegeben ist. Das umfasst vor allem die Einräumung von entsprechenden Gestaltungs- und Entscheidungsspielräumen und die Auswahl gezielter und auf die Anforderungen und Bedürfnisse angepasster Formate.
- Überprüfung der Ergebnisse: Die im Anschluss an den Beteiligungsprozess entwickelten Planungen und Lösungen sind auf ihre Auswirkungen auf verschiedene Bevölkerungsgruppen zu überprüfen. Es ist sicherzustellen, dass diese diskriminierungsfrei gestaltet sind.
- Transparenz und Rechenschaftspflicht: Eine transparente Gestaltung des Planungsprozesses ist besonders wichtig. So wird die Überführung der Ergebnisse des Beteiligungsprozesses in die Planung/Umsetzung für alle nachvollziehbar und etwaige Ungerechtigkeiten können aufgedeckt werden.
Inklusive und gerechte Planung erfordert bewusste Anstrengungen, um sicherzustellen, dass alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrem sozialen Status oder ihren Fähigkeiten in den Planungsprozess einbezogen und ihre Bedürfnisse und Perspektiven angemessen berücksichtigt werden. Sie ermöglicht jedoch auch die Einbeziehung der Sichtweisen von tatsächlich Betroffenen, anstatt diese nur mitzudenken und kann somit zu einer höheren Akzeptanz, Annahme und Erfolgswahrscheinlichkeit beitragen. Durch die Verbindung vielfältiger Sichtweisen können innovative Lösungen gefunden werden, welche die Unterschiedlichkeit der betroffenen Personen und deren Probleme und Herausforderungen anerkennen.
Referenzen:
- Musch, Annika-Kathrin (2020): Transformation oder Stagnation? Partizipation in der Nachhaltigkeitsforschung – eine vergleichende Fallstudie. Dissertation, LMU München: Fakultät für Geowissenschaften. https://edoc.ub.uni-muenchen.de/26953/1/Musch_Annika-Kathrin.pdf, abgerufen am 27.9.2023
- Hunning, Sandra (2012): Wer plant für wen? Partizipation im Kontext gesellschaftlicher Differenzierung, S. 33-43. In: Küpper, Patrik et.al. (2014): Raumentwicklung 3.0 – Gemeinsam die Zukunft der räumlichen Planung gestalten. Hannover: Arbeitsberichte der ARL. https://www.arl-net.de/system/files/media-shop/pdf/ab/ab_008/ab_008_gesamt.pdf, abgerufen am 27.9.2023
- Rohr, Jascha et. al. (2017): Impulse zur Bürgerbeteiligung vor allem unter Inklusionsaspekten – empirische Befragungen, dialogische Auswertungen, Synthese praxistauglicher Empfehlungen zu Beteiligungsprozessen. Im Auftrag des Umweltbundesamtes. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2017-05-08_texte_36-2017_impulse-buergerbeteiligung_0.pdf, abgerufen am 27.9.2023